Bocholt: Wärmenetz Wolbring

Der Hof Wolbring mit dem Regerativen Speicherkraftwerk: Biogasanlage, Gasspeicher, Wärmespeicher, BHKW. Quelle: Hof Wolbring

Das Projekt

Ausgangssituation

Seit 2004 betreibt die Wolbring GbR eine Biogasanlage in Bocholt. Bislang wurde das Biogas in einem vollzeitgefahrenem Blockheizkraftwerk (BHKW) genutzt, um Strom und Wärme bereitzustellen. Das BHKW wurde demnach durchgehend auf gleichem Leistungsniveau betrieben. Die Biogasanlage wurde flexibilisiert, wozu ein leistungsstärkeres BHKW, ein großer Gasspeicher und ein Wärmespeicher eingesetzt wurde. Dadurch kann die Energie bedarfsgerecht bereitgestellt werden und muss nicht kontinuierlich erzeugt werden. Die Betriebsstunden wurden auf 2.300 Betriebsstunden pro Jahr gesenkt. Die beteiligte Planer, Energethik Ingenieurgesellschaft mbH, nennt dies „regeneratives Speicherkraftwerk“. Dadurch kann die Energieproduktion seit November 2020 im Jahresverlauf der Wärmenachfrage erfolgen und im Tagesverlauf stromgeführt erfolgen.

In der Nähe zur Biogasanlage Wolbring Gbr, liegt die Biogasanlage Niemann GmbH & Co. KG, welche ebenfalls zum Speicherkraftwerk umfunktioniert wird und zukünftig die Wärmenutzung optimieren und ausbauen möchte. Zudem befindet sich in weniger als 400 Metern Entfernung ein Industriegebiet und anliegend daran Wohngebäude. Die bisherige Wärmeproduktion wird dort fast ausschließlich durch fossile Energieträger erreicht. 

Konzept und Alleinstellungsmerkmal

Die Machbarkeitsstudie untersucht, ob die Biogasanlagen mit einem Wärmenetz die Gebäude im Industrie- und Wohngebiet wirtschaftlich mit Nahwärme versorgt kann, vor allem vor dem Hintergrund, dass Industriegebäude in der Regel einen hohen Wärmebedarf aufweisen. Konkret sollen ca. 30 Häuser und Industriehallen mit regenerativer Wärmeenergie vollversorgt werden.

Der Fokus liegt also auf dem Aufbau eines Wärmenetzes zur regenerativen Versorgung von Industrie- und Wohngebäuden auf der Basis von Biogas aus flexibel betriebenen Biogas-BHKWs.

Im Kontrast zur klassischen Betriebsweise von BHKWs im Dauerbetrieb ermöglicht der Umbau zum „regenerativen Speicherkraftwerk“ eine Reduzierung der Betriebsstunden des bestehenden BHKWs von 8.600 Betriebsstunden pro Jahr (Bh/a) auf ca. 100-200 Bh/a. Dazu kommt das neue BHKW mit einem deutlich besseren Wirkungsgrad und einer höheren Leistung (ca. 2.000 kWel/kWth), welches einen jährlichen Betrieb mit lediglich 2.300 Bh ermöglicht. Damit soll eine Vollversorgung von ca. 30 Häusern und Industriehallen erreicht werden. Die bisherigen Heizungen werden dann nicht mehr benötigt.

Trotz deutlicher Erhöhung der Erzeugerleistung bleibt die gesamte Jahresmenge an erzeugtem Biogas gleich, indem diese bedarfsgerecht und effizienter eingesetzt wird. Deshalb ist auch kein zusätzlicher Rohstoff- oder Flächeneinsatz notwendig.

Die Kombination von leistungsstarkem BHKW, Gasspeicher sowie Wärmespeicher mit der bestehenden Biogas-Produktion ermöglicht somit eine Entkopplung von Erzeugung und Verbrauch der Wärme und ist eine Voraussetzung für ein intelligentes Wärmenetz.

Eine weitere Grundvoraussetzung für ein intelligentes Wärmenetz ist eine moderne Regelung und Visualisierung. Die Konzipierung der Regelungstechnik und -software ist bereits bei der Machbarkeitsstudie wichtig. Hierbei geht es auch um die folgenden Punkte: Speichermanagement der Brauchwasserspeicher, kontinuierliche Lastabschätzung und Prognosetools zur Vorhersage des Wärmebedarfs, Ermittlung der optimalen Netz-Vorlauf-Temperatur zu Hochlastzeiten, Sommerbetrieb und Absenkzeiten.

Durch die tageszeitlich stromgeführte Betriebsweise wird zudem ein netzdienlicher Anlagenbetrieb realisiert, wenn der Strom zu Hochlastzeiten an das öffentliche Stromnetz abgegeben wird. Zudem werden die Voraussetzungen für einen mittelfristeigen Einsatz von Power-to-Heat-Technologien geschaffen.

Technologien

Folgende Technologien sollen eingesetzt werden:

  • 1.850 kW thermisch, 2.000 kW elektrisch Biogas-BHKW
  • Großer Gasspeicher
  • 1000 m³ Wärmespeicher
  • Elektrodenkessel
  • Weiteres BHKW von Niemann GmbH & Co. KG
  • Intelligent Netzregelung – Prognose für Betrieb

Akteure

  • Wolbring GbR
  • Niemann GmbH & Co. KG
  • Energethik Ingenieurgesellschaft mbH als Planer
  • Geschäftsinhaber aus Industriegebiet
  • Kommune (Schule)

Kennzahlen: Erwartete wirtschaftliche, klimatische und energetische Effekte

wirtschaftlicher Mehrwert

Durch den Anschluss an das beschriebene Wärmenetz können laut Antragsteller günstige und stabile Wärmepreise geschaffen und damit Einsparungen von in der Regel mindestens 20 % der Wärmekosten auf der Seite des Anschlussnehmers erzielt werden.

Die Flexibilisierung des Betriebs sorgt zudem für eine deutlich erhöhte KWK-Wärmenutzung und damit verbundene KWK-Erlöse nach EEG, für Mehreinnahmen durch den Wärmeverkauf sowie für weitere Wärmeabsätze durch die jahreszeitlich wärmegeführte und tageszeitig stromgeführte Betriebsweise. Des Weiteren wird die Investition durch staatliche Zuschüsse über die BAFA oder progres.nrw bis zu 64% gefördert.

Das Konzept soll also einen wirtschaftlichen Mehrwert für den Betreiber und günstigere Energiepreise für die Nutzer schaffen.

Bereitstellung erneuerbarer Energien

Die Biogasanlage stellt über das BHKW 100 % regenerative Energie in Form von ca. 4.400 MWh/a Stromerzeugung und 4.450 MWh/a Wärmeerzeugung bereit. Nach Abzug der benötigten Prozess- und Eigenwärme des Speicherkraftwerks bleibt eine Wärmemenge von 3.590 MWhth/a auf hohem Temperaturniveau übrig, die einer Nutzung zugeführt werden soll. Aktuell sind davon 2.540 MWhth/a ungenutzt, die daher für das Wärmenetz genutzt werden sollen. Daraus resultiert eine Nutzwärmebereitstellung aus dem Speicherkraftwerk in Höhe von 2.110 MWhth/a für die Abnehmer.

Versorgungsicherheit

Die Spitzenlast wird mit der hohen thermischen Leistung des FLEX-BHKW und der Pufferwirkung des Wärmespeichers abgedeckt. Mit einer Speicherkapazität von 40.000 kWh die benötigte Wärmeleistung von 840 kW für eine Dauer von 48 Stunden gespeichert werden. Des Weiteren kann der Bestands-BHKW mit seiner Leistung von 600 kW als Redundanz dienen.

CO2-Reduktion

Neben den verringerten Emissionen durch eine Biogas-Einsparung aufgrund des besseren Wirkungsgrades des FLEX-BHKWs erfolgt eine CO2-Reduzierung durch die Verdrängung der fossilen Energiebereitstellung der potenziellen Anschlussnehmer.

Gegenüber einer bisherigen Versorgung (angenommen mit 67 % durch Erdgas und 33 % durch Heizöl) können durch das Speicherkraftwerk bei einer Nutzwärmebereitstellung in Höhe von 2.110 MWhth/a CO2-Emissionen in Höhe von 506 t/a eingespart werden.

Anmerkung des Antragstellers:
Biogas ist „CO2-neutral“. CO2-neutral bedeutet, dass die Verwendung eines Brennstoffes keinen Einfluss auf den CO2-Gehalt der Atmosphäre hat. Dabei ist es aber nicht unbedingt so, dass dieser CO2-neutrale Brennstoff selbst kein Kohlendioxid enthält. Das Gegenteil ist sogar meist der Fall. So enthält die Biomasse, die für die Erzeugung von Biogas verwendet wird, sehr wohl Kohlendioxid. Aber alles CO2, welches das Biogas dann bei der Verbrennung freisetzt, wurde zuvor während des Wachstums der organischen Stoffe aus der Atmosphäre aufgenommen.

Energieeinsparungen / Energieeffizienz

Da die Leistung des FLEX-BHKW dreimal so hoch ist wie beim Bestandsmotor, kann dieser Motor einen deutlich besseren Wirkungsgrad aufweisen, welcher zu einer Effizienzverbesserungen zwischen 2 und 3% führt. Durch diesen Wert ergeben sich bei der gleichen produzierten Strom- oder Wärmemenge Biogas-Einsparungen von ca. 5%.

Der Heizungstausch in den angeschlossenen Gebäuden führt ebenfalls zu einer Erhöhung der Effizienz.

Übertragbarkeit

Potenzial für eine nachhaltige Wärmeversorgung in der Region

Der Antragsteller sieht die Umwandlung zum „regenerativen Speicherkraftwerk“ als mögliches Leuchtturmprojekt in der Region, um weitere Interessenten für nachhaltige Wärmeversorgung zu gewinnen. Auch die Biogasanlage Niemann könnte von den Erfahrungen der Wolbring GbR profitieren und zukünftig gemeinsam für einen Ausbau der erneuerbaren Wärmeversorgung in der Region sorgen.

Durch die Maximierung der Wärmenutzung wird die Zukunftsfähigkeit der Biogasanlage wesentlich gesteigert. Der Weiterbetrieb wird bereits jetzt angestrebt und kann durch das Projekt entscheidend unterstützt werden, vor allem vor dem Hintergrund der auslaufenden EEG-Förderung.

In technischer und wirtschaftlicher Hinsicht werden sich viele Kenntnisse des beschriebenen Projektes auf weitere Projekte in der „EUREGIO“ übertragen lassen. Das Biomethan-BHKW bietet über die vergütete Einspeisung gemäß dem EEG eine wirtschaftliche Planbarkeit, die an jedem Standort genutzt werden kann. Die Errichtung des beschriebenen Projektes ist an nahezu keine geografischen und geologischen Faktoren geknüpft, daher ist eine vergleichbare Projektrealisation an anderen Standorten in der EUREGIO denkbar.

Ergebnisse

Das geplante Wärmenetz der Biogasanlagen Wolbring GbR würde sich bei der Anwohneranschlussquote mit 30 Häusern und Industriehallen eine Gesamtinvestition von 740.000€ belaufen. Mit einer 64%igen Förderung reduzieren sich die Investitionskosten auf 265.000€ mit einer Rendite von 5,1%, wodurch sich ein sehr wirtschaftliches Energiekonzept ergibt. Dieses Konzept ist allerdings abhängig von einigen Faktoren, wie die tatsächliche Anschlussquote, realer Wärmebedarf, realen Rohr-/Tiefbaukosten, tatsächliche Fördersummen.

In der Betrachtung der Biogasanlage Niemann GmbH & Co. KG ist zu sehen, dass hier ein bereits eine ausgeprägte Wärmenutzung vorliegt. Durch die Flexibilisierung in ein regeneratives Speicherkraftwerk bleibt eine Wärmemenge von max. 1.800 MWhth im Jahr übrig die für ein nahegelegenen Industriepark genutzt werden kann. Dabei handelt es sich um den größten zusammenhängenden, voll erschlossenen Industriepark in Nordrhein-Westfalen (ca. 300 Betriebe mit 7.200 Beschäftigten), dessen Wärmebedarf imens hoch ist.

Hier gibt es Überlegungen zu einem Prosumer Wärmenetz, in dem die beiden regenerativen Speicherkraftwerke, ein weiteres neues Speicherkraftwerk mit flexiblen Biomethan-BHK sowie die Abwärme der Industrieanlage genutzt wird.

Die Studie kann nachfolgend heruntergeladen werden:

Machbarkeitsstudie

Kosten: 14.053 €
Förderung:6.324 € (45 %)
Laufzeit der Studie:01.10.2020 – 01.04.2021

Antragssteller

Wolbring GbR
Pannemannstr. 50
46395 Bocholt
hof-wolbring.de

Durchführendes Unternehmen

Energethik Ingenieurgesellschaft mbH
Am Speicher 2
49090 Osnabrück
www.energethik-ingenieure.de

Weitere Infos

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