Technikcheck

Nachhaltige, zirkuläre Energiesysteme für die EUREGIO

Zur Förderung des Aufbaus einer modernen Energieinfrastruktur werden anhand der Gegebenheiten in den Städten und Gemeinden der EUREGIO zirkuläre, d.h. 100% nachhaltige und auf lokale Gegebenheiten abgestimmte Energiesysteme benötigt, welche hier entworfen und dargestellt werden sollen. Diese Systeme dienen als Benchmark und Technikcheck, an dem sich Kommunen und Betriebe orientieren können. Sie umfassen bspw. den Einsatz großflächiger Solarthermie, Langzeitspeicher, Biomassepotenziale, Potenziale aus (tiefer) Geothermie oder Oberflächengewässern.

Wir machen den Technikcheck: Wie und wo kann ich heute schon zukunftsfähig heizen?

Die zur Verfügung stehenden Technologien werden in der Kategorie „Wissen“ vorgestellt.

Darüber hinaus gab es zwei Masterarbeiten zum Thema des Technikchecks:

Masterarbeit „Zukunftsfähige Wärmewende in der EUREGIO“

Masterarbeit von Christian Käufler

↘ Zusammenfassung

Der Sektor Wärme bietet durch erneuerbare Wärmeversorgungslösungen ein großes Potenzial die Treibhausgas-Emissionen zu mindern und damit auch maßgeblich zum Ziel beizutragen, die Erderwärmung auf unter 1,5 °C zu begrenzen.

Das INTERREG-Projekt „Wärme in der EUREGIO – fokussieren und modernisieren (WiEfm)“ und dessen Nachfolge-Projekt „Task Force Wärmewende“ legen den Fokus auf das Gebiet der deutsch-niederländischen Grenzregion EUREGIO. Hier wurden durch Machbarkeitsstudien eine Vielzahl an nachhaltigen Wärmeversorgungssystemen aufgezeigt, geplant und umgesetzt.

Die EUREGIO und ihre 3,35 Millionen Einwohner arbeiten intensiv an der Erreichung der regionalen, nationalen und europäischen Klimaschutz-Ziele. Vor allem im Wärmesektor, welcher etwa die Hälfte des Endenergieverbrauchs ausmacht, soll die Energieeffizienz und der Anteil der erneuerbaren Energien gesteigert werden. Bei älteren Gebäuden ohne nennenswerte Dämmmaßnahmen, welche einen großen Anteil des Verbrauchs ausmachen, soll eine Sanierung mit einer gleichzeitigen Umstellung der Wärmeversorgung verbunden werden.

Die vorliegende Arbeit beschreibt, welche Anforderungen es an die Wärmeversorgung gibt und welche Quellen für eine erneuerbare Wärmeversorgung zur Verfügung stehen. Es wird gezeigt, welche nachhaltigen Wärmeversorgungssysteme es gibt und was diese charakterisiert. Bestehende Systeme und Ansätze nachhaltiger Wärmeversorgung in Dänemark, Deutschland und die Machbarkeitsstudien des WiEfm-Projekts werden betrachtet und ausgewertet. Darüber hinaus wird die Frage aufgeworfen, welche Faktoren relevant sind, um ein nachhaltiges Wärmeversorgungssystem umzusetzen und welche Eingabeparameter für eine Empfehlung und einen Vergleich benötigt werden.

Die Ergebnisse der Untersuchung der Machbarkeitsstudien zeigen viele verschiedene Kombinationsmöglichkeiten nachhaltiger Versorgungssysteme und Technologien auf. Diese werden mithilfe eines morphologischen Kastens übersichtlich dargestellt und bieten die Möglichkeit standardisierte Wärmeversorgungssysteme zu entwerfen.

Die nachhaltigen Versorgungssysteme können dadurch miteinander verglichen werden und anhand eines solchen Vergleichs wird eine Empfehlung möglich. Die Eignung hängt von verschiedenen Parametern ab, welche häufig auf regionale Gegebenheiten zurückzuführen sind. Diese Standortdaten erhält man häufig durch interaktive Karten. In einem nächsten Schritt ist eine Software zu entwickeln, die möglichst viele Eingangsparameter für die Berechnung und den Vergleich der verschiedenen Wärmeversorgungssysteme z.B. über den Standort automatisch ermittelt, verrechnet und in den Karten oder einem übersichtlichen Dashboard anzeigt.

↘ Die wichtigsten Ergebnisse auf einen Blick

Welche nachhaltigen Wärmequellen und –technologien wurden in den WiEfm-Machbarkeitsstudien untersucht?

Abb. 1 zeigt die Anteile der untersuchten Technologien und Wärmequellen in den Machbarkeitsstudien aus WiEfm. Im Abschnitt „Grafiken“ sind die jeweiligen Technologien dieser Kategorien weiter unterteilt.

  • Die meisten Studien enthielten Wärmeversorgungs-Lösungen mit Biomasse (58 %).
  • Abwärmenutzung und Power-to-Heat wurden in rund der Hälfte der Studien betrachtet (45 %).
  • Lösungen zur Nutzung der Solarenergie waren Bestandteil in rund einem Drittel der Studien (35 %).
  • Eine Wärmeversorgung über Energie aus dem Untergrund (Geothermie) wurde in rund einem Viertel der Studien betrachtet (23 %).
  • Ein Sechstel der Studien untersuchte die Wärmeversorgung mittels Energie aus Oberflächengewässern (16 %).
Abb. 1: Technologien, welche in den WiEfm-Machbarkeitsstudien untersucht wurden | Grafik: Christian Käufler / FH Münster
Kernaussagen zu den untersuchten Systemen:
  • Fossile Hochtemperatursysteme (70–100 °C) können häufig durch Biomasse- oder Biogas-Wärmeerzeuger ersetzt werden.
    Diese können mit Solarthermie-Anlagen, welche mit großen/saisonalen Wärmespeichern verbunden sind, kombiniert werden. Außerdem kann man noch die Abwärme aus Industrieprozessen nutzen, wenn diese kontinuierlich und auf einem entsprechend hohen Temperaturniveau vorliegt.  
  • Wärmepumpen in Kombination mit Photovoltaik-Anlagen werden häufig in Mitteltemperatur- und Niedertemperatur-Systemen (40–60 °C) eingesetzt.
    Durch Sanierungsmaßnahmen im Bestand oder durch Neubau ist der Energieverbrauch hier geringer. Zum saisonalen Speichern von Wärme und Kälte werden hier WKO-Systeme (Aquiferspeicher-Systeme, NL: Warmte Koude Opslag) oder große unterirdische Speicherbehälter verwendet. Zusätzliche Wärme kann aus Oberflächengewässern (Seen, Flüssen), Umgebungsluft, Abwasser, Grundwasser und dem Boden in unterschiedlichen Tiefen gewonnen werden. Bei Erdwärmesonden-Feldern oder tieferen Geothermie-Bohrungen, welche ganzjährig Wärme zur Verfügung stellen, benötigt man keine saisonalen Speicher, sondern zentrale Pufferspeicher und Reservekessel. 
  • Kalte Wärmenetze/Quellennetze (8–20 °C) benötigen keine Dämmung und können sogar ebenfalls Energie aus dem Boden aufnehmen. Die Wärmequellen sind überwiegend die gleichen wie bei den Niedertemperaturnetzen, jedoch benötigt jedes Gebäude eine eigene dezentrale Wärmepumpe.  
  • Dezentrale Systeme ohne Netz bestehen bei Neubauten häufig aus Wärmepumpen-Systemen, welche die Wärme zumeist über die Umgebungsluft oder Erdwärmesonden gewinnen. Häufig werden diese mit PV-Modulen und Holzpellet-Kesseln kombiniert. 

↘ Grafiken

Masterarbeit „Entwicklung eines ortsspezifischen Berechnungs­pro­gramms zur Prognose und Bewertung nachhaltiger Wärme­versorgungs­systeme“

Masterarbeit von Gordon Teoh

↘ Zusammenfassung

Die vorliegende Arbeit steht in Verbindung mit dem vierten Arbeitspaket Technikcheck – Nach­haltige, zirkuläre Energiesysteme für die EUREGIO des Projekts Task Force Wärmewende. Im Rahmen dieses Projekts wurden unter anderem folgende Wärmequellen als nachhaltige Optionen für kollektive Versorgungslösungen iden­tifiziert: Solarthermie, oberflächennahe Geothermie, Bioenergie und industrielle Abwärme. Das Ziel dieser Arbeit war die Entwicklung eines Berechnungsprogramms, welches den Einsatz dieser Energiequellen in Nahwärmenetzsystemen für Neubaugebiete ermittelt und bewertet. Das Berechnungsprogramm sollte die örtlichen Gegebenheiten des Neubaugebiets berücksichtigen und dem Programmnutzer ermöglichen, Systemkomponenten zu ändern und anzupassen.

Entscheidende Bewertungskriterien für die Auswahl eines Wärmeversorgungsystems

Um das Berechnungsprogramm zu erstellen, wurden die Bewertungskriterien identifiziert, die bei der Auswahl eines Wärmeversorgungsystems entscheidend sind. Folgende Werte wurden identifiziert und als Programmausgaben festgelegt: Der kosten­deckende Wärme­preis, der Primärenergiefaktor und der Emissionsfaktor. Anschließend wurde die allgemeine Vorgehensweise zur Planung eines Nahwärme­netzes recherchiert, insbesondere die Einschätzung des zukünftigen Wärme­bedarfs, die Auslegung der Heizanlagen und die Bestimmung der Deckung des Wärmebedarfs. Um den Umfang des Berechnungs­programms in Grenzen zu halten, wurden spezifische Wärmeversorgungssysteme betrachtet:

  • Ein klassisches Nahwärmenetz mit einem zentralen Holzpelletkessel (Nahwärmenetz Biomasse),
  • ein klassisches Solarnahwärmenetz mit einem Kurzzeitspeicher und einem zentralen Holzpellet­kessel (Solarnahwärmenetz) und
  • ein kaltes Nahwärmenetz mit 100 m-Erdwärme­sonden und dezentralen Wärmepumpen (Kaltes Nahwärmenetz).

In allen ausgewählten Wärmeversorgungs­systemen wird ein Brennwert-Gaskessel zur Deckung der Spitzenlast benötigt.

Mit dem Tabellenkalkulationsprogramm Microsoft Excel®wurde ein Berechnungsprogramm erarbeitet, das die Anzahl und Art der Häuser und die Länge des Wärmenetzes verwendet, um für alle ausgewählten Wärmeversorgungssysteme die festgelegten Programmausgaben zu berechnen.

Berücksichtigung der geographischen Lage

Um die geographische Lage des Neubaugebiets zu berücksichtigen, wurde ein GIS-Tool erstellt, mit dem die geothermische Ergiebigkeit und die Möglichkeiten zur Nutzung der Abwärme einer Biogasanlage oder eines wärmeproduzierenden Unternehmens bestimmt werden können. Um den kostendeckenden Wärmepreis der ausgewählten Wärmeversorgungs­systeme zu ermitteln, werden die damit verbundenen Kosten in eine Wirtschaftlichkeits­berechnung nach der Annuitäten­methode eingesetzt. Die Primär­energiefaktoren und Emissionsfaktoren werden anhand des zu erwartenden Energieverbrauchs der jeweiligen Wärmeerzeuger und der entsprechenden vor­gegebenen Faktoren berechnet.

Anpassbare Standard-Werte zur Minimierung der erforderlichen Eingaben

Es stellte sich heraus, dass je nach Datenquelle unterschiedliche Werte im Berechnungs­programm angesetzt werden können. Da es sich bei diesen Werten teilweise um signifikante Abweichungen handelt, sind diese Werte im Berechnungsprogramm als Default-Werte eingestellt. Dies ermöglicht dem Programmnutzer, diese Werte manuell zu ändern.

Analyse der Szenarien

Nach Fertigstellung des Berechnungsprogramms wurden Analysen mit unterschiedlichen Szenarien durchgeführt. Die Ergebnisse deuten stark daraufhin, dass sich beim Solar­nahwärmenetz die zusätzlichen Investitionskosten für die Solaranlage sich nicht rentieren. Hauptursache dafür ist die Unfähigkeit des Systems, die überschüssige Wärme in den Sommer­monaten zu speichern. Aus energetischer Sicht hätte ein Solarnahwärmenetz mit Langzeit­speicher großes Potenzial. Der kostendeckende Wärmepreis des Nahwärmenetz Biomasse fiel am niedrigsten aus und lag im Bereich zwischen 3 bis 7 Ct/kWh. In den meisten Fällen war der kostendeckende Wärmepreis des Kalten Nahwärmenetzescirca 1 Ct/kWh höher. Allerdings weist das Kalte Nahwärme­netz gegenüber dem Nahwärmenetz Biomasse mehrere Vorteile auf, die diese Preis­differenz ausgleichen. Diese Vorteile sind vor allem die niedrigeren CO2-Emissionen, die Möglichkeit der Kühlung im Sommer und die minimalen Netzverluste, die zu einer höheren Energieeffizienz führen.  Daher sollte das Kalte Nahwärmenetz bevorzugt werden. 

Die Analyse zur Anschlussquote bestätigte die Bedeutsamkeit der Anschlussquote. Es wurde festgestellt, dass zur erfolgreichen Umsetzung eines Nahwärmeprojekts eine Mindest­anschlussquote von 70 % zu gewährleisten ist. Dieses Ergebnis stimmt mit den in der Literatur zu findenden Empfehlungen überein. Sollte diese Anschlussquote in einem Neubaugebiet sicher­gestellt sein, ist ein nachhaltiges Nahwärmenetz die ökonomische und ökologische Alternative zu gasbetrieben Wärmeversorgungssystemen.

↘ Prozessdiagramme zum Berechnungsprogramm

Die entsprechenden Abschlussarbeiten sowie das vorgestellte Excel-Berechnungstool können auf individuelle Anfrage per Mail zur Verfügung gestellt werden.