Fachexkursion 17. & 18.9.: Solarthermie in dänischen Fernwärme-Systemen

Personen vor dem Gebäude der Heizzentrale von Gråsten Fjernvarme
Die Projektmitglieder des Projekts Task Force Wärmewende vor der Heizzentrale von Gråsten Fjernvarme

Das Projektteam des Task Force Wärmewende-Projekts war zwei Tage in Dänemark und hat sich dort die weltgrößte Solarthermie-Anlage, saisonale Wärmespeicher und die Produktion von Solarkollektoren angeschaut. Dabei wurde verschiedenen Fragen nachgegangen, z. B. „Wie werden große Solarthermie-Anlagen in Wärmenetze integriert?“, „Was sind wichtige Faktoren beim Betrieb und zur Optimierung nachhaltiger Wärmenetze?“ und „Wie können die in Dänemark erfolgreichen Modelle auf Deutschland und die Niederlande übertragen werden?“

Dienstag: Solarthermie-Anlagen & Kollektorproduktion

Das Projektteam des Task Force Wärmewende-Projekts ist am Dienstag (17. Sep. 2019) am frühen Morgen von Hamburg aus mit dem Reisebus zu einer Exkursion nach Dänemark aufgebrochen. Mit dabei sind etwa 25 Teilnehmer aus Deutschland, den Niederlanden, Österreich, der Schweiz, Polen und dem Kosovo. Nach einem ersten Kennenlernen am Vorabend in Hamburg beim gemeinsamen Abendessen fuhren wir als erstes nach Gråsten zu „Gråsten Fjernvarme“.

Hier werden etwa 1.800 Abnehmer mit 52.000 MWh Wärme über ein Wärmenetz versorgt und das zu 100 % klimaneutral. Dazu sind verschiedene Komponenten notwendig, die zusammen in einem gut abgestimmten System funktionieren. Dies sind eine große Solarthermie-Anlage mit rund 30.000 m² Kollektorfläche, ein Pufferspeicher mit 5.800 m³ Fassungsvermögen und ein Stroh-Kessel. Darüber wird die Wärme für das lokale Wärmenetz bereitgestellt. Unterstützend gibt es zudem eine Absorptions-Wärmepumpe bzw. -Kältemaschine, welche über einen Holzpellet-Kessel betrieben wird. Die Fassade der Heizzentrale ist zudem mit PV-Modulen bedeckt, was auf dem obigen Bild teilweise zu sehen ist.

Als nächstes besuchten wir die Fernwärme-Anlage von Gram, die ebenfalls einen Pufferspeicher und eine große Fläche mit knapp 45.000 m² Solarthermie-Kollektoren bietet. Zusätzlich zu dem, in Solarthermie-Systemen fast immer eingesetzten, Pufferspeicher, der die Wärme einige Tage zwischenspeichern kann, gibt es in der Anlage von Gram einen saisonalen Erdbecken-Speicher. Dieser hat ein Fassungsvermögen von 122.000 m³ Wasser und kann die Wärme mehrere Monate speichern.

Fernwärme-System in Gråsten

Darstellung des Fernwärme-Systems in Gråsten

Die Hauptwärmequelle im Winter ist ein Strohkessel, welcher Strohballen aus der Region verfeuert. Um die erforderliche Leistung bereitzustellen, werden im Winter etwa 6 Strohballen pro Stunde benötigt. Diese werden in einem großen Strohlager aufbewahrt und über einen automatischen Kran in zur Beschickung des Kessels befördert. Der Strohkessel ist modulierbar mit einer Nennleistung von 12 MW und lässt sich bis auf 3,6 MW runterfahren. Im Sommer wird der Strohkessel für drei Monate komplett abgeschaltet und die Wärmeversorgung wird nahezu komplett über die Solarthermie-Anlage bereitgestellt. Diese hat rund 30.000 m² Kollektorfläche. Die Fläche zum Aufstellen der Kollektoren ist etwa doppelt so groß. Es gilt also ungefähr zwei Quadratmeter Bodenfläche für einen Quadratmeter Kollektorfläche.

Die Temperaturen aus der Solarthermie-Anlage betragen zwischen 50 und 100 °C. Ziel ist es, dass die Anlage immer betrieben wird und das mit hoher Effizienz. Eine Stagnation des Wassers in der Anlage wird vermieden, um die Effizienz zu halten. Dafür sind niedrige Rücklauftemperaturen nötig. Diese werden über eine Wärmepumpe gewährleistet, welche den Rücklauf weiter abkühlt (z. B. auf 35 °C). Die Wärmepumpe ist hier eine Absorptions-Wärmepume, die über einen Holzpellet-Kessel betrieben wird. Dies hat sich als am wirtschaftlichsten erwiesen. Ein großer thermischer Speicher mit 5.800 m³ Fassungsvermögen kann die Wärme für mehrere Tage speichern und ist ein weiterer wichtiger Baustein einer effizienten Betriebsweise des Systems.

In enger Zusammenarbeit mit den Abnehmern wurden die Systeme dort soweit optimiert, dass vor der Wärmepumpe bereits Rücklauftemperaturen von 38 °C erreichbar sind, welche direkt von den Abnehmern kommen. Dabei werden dort – wie auch in Deutschland – überweigend klassische Radiatoren genutzt und auch die Gebäude sind aus dem Bestand, welcher nach und nach saniert wurde. Wichtig für eine hohe Temperaturspreizung und somit effektive Wärmeabgabe ist ein sehr guter hydraulischer Abgleich.

Ebenfalls hilfreich ist das Bonus/Malus-System vieler dänischer Fernwärmebetreiber, mit welchem die Abnehmer belohnt oder „bestraft“ werden, wenn die tatsächlichen von den vertraglich vereinbarten Rücklauftemperaturen abweichen. Denn wenn einzelne Abnehmer zu hohe Rücklauftemperaturen haben, wirkt sich das auf die Effizienz des gesamten Systems aus. Daher schaffen die höheren Kosten einen Anreiz, die Technik zu optimieren. Wird dies gemacht, bekommt der Kunde die Mehrkosten, die aus dem Malus entstanden sind zurück und kann damit die Optimierungskosten ausgleichen. Daher ist der Malus letztlich keine Bestrafung, sondern ein gerechtfertigter Anreiz zur Optimierung, der zu einer Win-win-Situation führt. Dies gelingt jedoch nur mit einer offenen und transparenten Kommunikation und guter Betreuung der Kunden. Um ein solches System zu etablieren sind daher z. B. viele Hausbesuche und persönliche Gespräche mit den Anwohnern nötig.

Nach der Besichtigung der Solarthermie-Anlagen vor Ort bei wechselhaftem Wetter und viel Wind ging es weiter nach Skørping. Dort befindet sich die Kollektor-Produktion von Arcon-Sunmark, welche von uns besichtigt wurde. Der ganze Produktionsprozess wurde vorgeführt und erklärt. Hier herrscht ein stetig steigender Grad an Automation durch Roboter, sodass zunehmend weniger Arbeitsschritte von den Mitarbeitern durchzuführen sind und der Prozess immer effizienter wird.

Nach diesem Tag voller interessanter Eindrücke bot das Abendessen Gelegenheit zum Austausch über das Gesehene und die Projekte der verschiedenen Exkursionsteilnehmer. So endete ein ereignisreicher Tag und der nächste wird mit Spannung erwartet. Es ging nämlich zur weltgrößten Solarthermie-Anlage nach Silkeborg.

Mittwoch: Projektabteilung Arcon-Sunmark & Heizkraftwerk sowie weltgrößte Solarthermie-Anlage in Silkeborg

Der Mittwoch begann mit Präsentationen zur Planung, Realisierung und dem Betrieb der großen Solarthermie-Anlagen und saisonaler Wärmespeicher. Auch die Speicherung der Wärme über Zeiträume von mehreren Monaten in sogenannten Erdbecken-Speichern ist ein spannendes Thema, welches für den Erfolg der Wärmewende unerlässlich ist und den Exkursionsteilnehmern an diesem Vormittag näher erläutert wurde.

Betrieb von Solarthermie-Anlagen

Bei den Solarthermie-Anlagen steht zum einen die Langlebigkeit im Vordergrund. Zum anderen geht es auch darum, die Effizienz zu erhöhen, was u. a. durch niedrige Rücklauftemperaturen erreicht wird. Beide Aspekte sind einerseits abhängig von der Güte und Optimierung des eingesetzten Materials der Kollektoren, damit diese z. B. stabil sind, hohe UV-Belastung, Hagelschlag und Hitze wie Kälte gleichermaßen trotzen können und dabei die Wärmeenergie effektiv und ohne große Reflektionen oder andere Verluste aufnehmen und abtransportieren. Andrerseits spielt sowohl bei der Lebensdauer als auch bei der Effizienz die Betriebsweise und Steuerung eine ebenso große Rolle. Durch die richtigen Kombinationen und Fahrweisen sind hohe Temperaturspreizungen und damit hohe Effizienz möglich, gleichzeitig kann die Variation der Betriebsweise auch zum Schutz vor Vereisung oder Überhitzung, der optimalen Nutzung des Speichers und zur Verbesserung des Gesamtsystems genutzt werden. Die Regelung der Temperaur aus der Solarthermie-Anlage erfolgt beispielsweise über die Steuerung der Pumpen. Diese werden wiederum über die Intensität der Einstrahlung geregelt – eine Temperaturregelung wäre zu träge. Die Expertise, die in einer guten Anlagenfahrweise steckt, beruht auf simplen Grundprinzipien, deren Umsetzung aber eine gewisse Erfahrung voraussetzt.

Nach diesem theoretischen Teil und der Beantwortung vieler Fragen fuhren wir nach Silkeborg. Dort haben wir zunächst das Heizkraftwerk besichtigt, bevor es weiter zum weltgrößten Solarthermie-Feld ging. Das Heizkraftwerk vereint und verteilt die Wärme aus verschiedenen Quellen und erzeugt selbst Strom und Wärme aus Gas in einem Gas- und Dampf-Prozess (GuD-Prozess). Damit werden rund 22.500 Anschlussnehmer, also Haushalte, Industriebetriebe und andere Institutionen, in Silkeborg mit Wärme versorgt. Silkeborg hat etwa 45.000 Einwohner. Die Solarthermie stellt etwa 20 % des Jahreswärmebedarfs bereit. Damit die Solaranlage immer betrieben werden kann, speichern vier große, zylindrische Wärmespeicher mit etwa 25 Metern Durchmesser insgesamt 64.000 m³ Wasser und damit Wärme. Auch Abwärme aus einem Rechenzentrum und anderen Quellen wird genutzt. Das Gas-KWK-Kraftwerk arbeitet dabei für etwa 3.000 Volllast-Stunden im Jahr und wird rund 220 Mal im Jahr gestartet und gestoppt, wobei ein Anfahrvorgang nur etwa 12 Minuten benötigt. Allein die Verteilungsleitungen des Fernwärmenetzes – ausgeführt als Doppelrohr – sind rund 600 km lang. Hinzu kommen viele Kilometer Anschlussleitungen. Betrieben wird das Netz je nach Jahreszeit mit 82 °C bzw. 47 °C im Vorlauf und 47 °C bzw. 12 °C im Rücklauf. Das bedeutet eine hohe Temperaturspreizung von 35 °C.

Nach dem Kraftwerksbesuch besichtigten wir das weltgrößte Solarthermie-Feld und eine der zwei Heizzentralen vor Ort. Hier sieht man Solarkollektoren, soweit das Auge reicht. Insgesamt stehen hier 12.436 Kollektoren mit einer Gesamtfläche von 156.700 m². Diese können eine maximale Leistung von 110 MW liefern und damit 80.000 MWh an Wärme bereitstellen.

Wir erfahren spannende Details über den Betrieb und die Steuerung einer so großen Anlage. Auf den Bildschirmen der Steuerungssoftware erkennt man an den unterschiedlichen Einstrahlungswerten, wo gerade Wolken über das Feld ziehen und wo die Sonne scheint. Die Sonneneinstrahlung ist auch hörbar. Denn die Pumpen, welche das Wasser-Glykol-Gemisch durch die Anlage zirkulieren lassen, werden über die Einstrahlungs-Sensoren gesteuert und so hört man, dass das Summen lauter wird, sobald die Sonne sich zeigt.

Nach zwei ereignisreichen und sehr informativen Tagen ging es anschließend wieder zurück nach Deutschland und in die Niederlande.

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Gråsten Fjernvarme

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Strohlager

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Solarthermie-Anlage in Gram

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auf dem Erdbecken-Speicher in Gram

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Solarthermie-Anlage in Gram

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Solarthermie-Anlage in Gram

Böschung des Erdbecken-Speichers und Eingang zur Heizzentrale

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Solarthermie-Anlage in Gram

Gespräche in der Heizzentrale

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Solarthermie-Anlage in Gram

Bau des Erdbecken-Speichers

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Kollektor-Fertigung

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Kollektor-Fertigung

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Kollektor-Fertigung

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Heizkraftwerk in Silkeborg

links im Bild: die vier Wärmespeicher

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Heizkraftwerk in Silkeborg

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Heizkraftwerk in Silkeborg

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weltgrößte Solarthermie-Anlage Silkeborg

im Hintergrund ist das Heizkraftwerk zu sehen

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weltgrößte Solarthermie-Anlage Silkeborg

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Solarthermie-Anlage in Silkeborg

Projektteam vor der Solarthermieanlage in Silkeborg